Partizipation und Demokratiebildung

Das handlungsleitende Grundverständnis bei Fröbel zeichnet sich durch ein pädagogisches Setting aus, das von Partizipation und Kommunikation geprägt ist. Dies gilt gleichermaßen für Kinder und Erwachsene, die in einer offenen Kindertageseinrichtung zu Gestalter*innen und Akteur*innen ihrer Umwelt werden. Wir gestehen den Kindern Entscheidungsbefugnisse zu, damit sie Handlungs- und Problemlösekompetenzen entwickeln können.

ZUSAMMEN können wir alles schaffen

Anders als im vergangenen Jahr, in dem wir erstmals das Abschiedsfest im Rahmen eines echten Beteiligungsprojekts geplant und gefeiert hatten, war diesmal keine Spur von Ratlosigkeit oder gar Verunsicherung in den Gesichtern unserer Vorschulkinder zu sehen, als wir fragten, wie sie ihren Abschied feiern möchten.

Ganz im Gegenteil, die Ideen und Vorschläge sprudelten nur so hervor und wir mussten uns ordentlich ins Zeug legen, um die vielen Wünsche und Vorstellungen grafisch zu dokumentieren. Wir begleiteten den Planungsprozess der Kinder sehr zurückhaltend und stellten ihnen hauptsächlich Mittel und Methoden zur Strukturierung, Abstimmung und Dokumentation zur Verfügung. Viel mehr brauchten sie diesmal tatsächlich auch gar nicht.

Schnell war klar, wann das Fest wo und mit welchen Gästen stattfinden sollte. Überrascht hat uns, dass dieses Fest ganz anderes werden sollte, als das letztjährige. Auf Nachfrage erklärten die Kinder uns: „Es soll doch unser eigenes Fest werden! Darum brauchen wir eigene Ideen und können nichts machen, was die alten Vorschulkinder schon gemacht haben.“ Die kommenden Generationen werden vor einer zunehmend größer werdenden Herausforderung stehen, wenn sie das genauso sehen.

Nachdem das Fest bis ins Detail geplant war und die Kinder sich mit unserer Einrichtungsleitung sowie dem Koch abgestimmt hatten, konnten wir in die umfangreichen Vorbereitungen einsteigen. Es wurden Aufgaben verteilt, Einladungen für die Familien erstellt, Schultüten gebastelt, Hunderte von Papiersternen ausgeschnitten, mit Hilfe einer Mutter Wimpelketten aus zuvor in mühsamer Arbeit zugeschnittenen Stoffen genäht, Räume und Garten dekoriert, eine Popcornmaschine sowie Luftschlangen aufgetrieben, Muffins gebacken, eine Playlist zum Rutschen aus dem Kindergarten erstellt, u.s.w. Sogar eine kurze Begrüßung der Gäste in den verschiedenen Muttersprachen der Vorschulkinder wurde vorbereitet, auch wenn diese am Ende nicht live sondern Playback vorgetragen wurde, da die Aufregung dann doch zu groß war.

Nachdem die Herausforderung im vergangenen Jahr darin bestand, die Kinder zu ermutigen und darin zu bestärken, die ihnen zugestandenen, umfangreichen Entscheidungsbefugnisse zu nutzen, zeigte sich in diesem Jahr eine ganz andere Schwierigkeit. Unsere Vorschulkinder gingen die Planung mit so viel Feuereifer, Courage und Ideenreichtum an, dass wir befürchteten, dass das Projekt uns allen in seinem Umfang über den Kopf wachsen könnte.  

Kinder, die in den vergangenen Jahren immer nur mit großer Mühe zum Basteln zu bewegen waren, fanden sich schon früh morgens im Atelier ein, um an der Dekoration weiterzuarbeiten. Die Gruppe entwickelte ein hohes Maß an Energie, Durchhaltevermögen und Perfektionismus. So manches Mal hätten wir gern Fünfe gerade sein lassen, aber das ließen die Kinder nicht zu. So wurde uns in diesem Jahr eine neue Herausforderung der echten Partizipation deutlich. Mitbestimmung, Machtabgabe, Kreativität, Gleichwürdigkeit, Aushandlungen auf Augenhöhe und demokratische Entscheidungen können zu sehr komplexen, vielschichtigen Projekten führen.

Die Leidenschaft, mit der unsere Kinder Tag für Tag unermüdlich ans Werk gingen, wischte jedoch schnell alle Zweifel fort und zeigte uns, dass wir den Rahmen nicht begrenzen sollten.

„Wir haben uns alles ganz genau überlegt. Das hat Spaß gemacht. Manchmal war es auch ganz schön anstrengend, aber es war so toll, dass wir alles allein entscheiden durften!“ Luisa, 6 Jahre

Am Ende war das Abschiedsfest ein voller (Lern-)Erfolg. Die Kinder haben viel Selbstwirksamkeit erfahren und ihre Handlungs- sowie Problemlösekompetenzen erweitert. Sie haben Gruppenentscheidungen herbeigeführt, sind zusammengewachsen und haben gemeinsam frustrierende Momente (die geplante Übernachtung war nicht realisierbar) gemeistert.

Das großartige Fest bei strahlendem Sonnenschein mit ausgewählten Gästen im buntgeschmückten Garten mit anschließendem Kinoabend, hat uns wieder einmal gezeigt, dass Kinder zu Unglaublichem fähig sind, wenn ihre Begeisterung erst einmal geweckt ist und wir an sie glauben.

„Das Fest war richtig cool. Wir haben alles so gemacht, wie es auf unserem Plan draufstand. So wollte ich meinen Abschied haben.“ Emil, 6 Jahre

Streitschlichter aus eigenen Reihen

Dinge werden weggenommen, fiese Dinge gesagt oder Kinder ausgegrenzt – Streit ist auch in unserer Einrichtung nicht zu vermeiden und gehört zum Alltag einfach dazu. Aber die Art und Weise, wie wir mit diesem umgehen, die kann sehr unterschiedlich sein. Ziel sollte immer sein, alle Beteiligten mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen und respektvoll zu behandeln - leichter gesagt, als getan.

Bisher waren es in unserem Fröbel Haus für Kinder vor allen die Erwachsenen, die geholt wurden, wenn es Streit gab, der geschlichtet werden wollte. Und es waren auch die Erwachsenen, die sich mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall/ Rosenberg beschäftigt und Methoden erlernt habe, um Konflikte möglichst friedlich und anhaltend zu lösen. Aber muss das so sein?

Unsere Kolleg*innen im Fröbel Kindergarten Pfiffikus haben das Modell der Friedensbrücke aus der Schulmediation auf die Bedürfnisse der jüngeren Kinder angepasst und ihre Erfahrungen im Rahmen eines Konsultationsangebots geteilt. Wir haben dieses Wissen aufgesogen und für unsere Zwecke adaptiert. Dabei herausgekommen ist ein großartiges Projekt für unsere Vorschulkinder: Sie werden über einen Zeitraum von mehreren Wochen zu Streitschlichter*innen ausgebildet und stehen nach erfolgreicher Prüfung nun den jüngeren Kindern mit Rat und Tat zur Seite, wenn es Probleme gibt.

Unsere Vorschulkinder haben sich mit ihren Gefühlen beschäftigt und gelernt die vielen verschiedenen Emotionen, die in ihnen stecken wahrzunehmen und zu benennen. Sie haben gelernt in sich hineinzuhorchen und herauszufinden, was ihre Wünsche und Bedürfnisse in verschiedenen Situationen sind. Dabei geholfen hat Gabriel Giraffe, eine Handpuppe, die die Giraffensprache in Perfektion beherrscht und den Kindern viele hilfreiche Tipps geben konnte.

Leider fiel Gabriel als Streitschlichter dann allerdings über längere Zeit aus, da er sich stark erkältet hatte. Er ließ den Kindern allerdings einen Mediations-Teppich da, mit dem die Kinder von nun an Streit eigenständig schlichten sollten. Auf dem Teppich bewegen sich die beiden Streitparteien nach festgelegten Schritten ganz langsam und strukturiert aufeinander zu. Die Vorschulkinder begleiten diesen Prozess mit bestimmten Fragen an den entsprechenden Stellen. Abwechselnd wird das Problem geschildert, zugehört, über Gefühle und Wünsche gesprochen und am Ende eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden.

Unsere Vorschulkinder wurden von Woche zu Woche sicherer im Umgang mit dem Teppich und kreativer in der Findung von Kompromisslösungen.

Endlich dürfen wir unseren ersten offiziellen Streitschlichter*innen nun zur bestandenen Prüfung gratulieren! Sie besitzen nun ein Abzeichen, welches sie immer dann tragen, wenn sie Lust und Kraft haben, den anderen Kindern im Streitfall zur Seite zu stehen und mit ihnen gemeinsam eine gute Lösung zu finden.

Sommerfest in Kinderhänden

Die Planung des Abschiedsfests lag in diesem Jahr erstmals komplett in den Händen der Kinder. Alle Schritte von der Planung über die Vorbereitung bis zur Durchführung sollten im Rahmen eines „echten“ Beteiligungsprojekts erfolgen – ohne Wenn und Aber.

Fest stand im März lediglich, dass es ein Abschiedsfest geben soll. Alles andere, wie Zeitpunkt, Ort, Umfang, Ausgestaltung und Umsetzung war vollkommen offen. Aufgabe der Erwachsenen war es lediglich, die Kinder im Prozess einfühlsam zu begleiten und sie dazu zu ermutigen, über verschiedene Aspekte nachzudenken. 

„Wie möchtet ihr euren Abschied vom Kindergarten feiern?“ Diese einleitende Frage stellten wir unseren Vorschulkindern Ende März 2022. Aus anfangs ratlosen Gesichtern, entwickelten sich über die Zeit viele Ideen und Vorschläge, lebhafte Diskussionen und teilweise kräftezehrende Entscheidungsprozesse.

Verschiedenste Ideen wurden von den Vorschulkinder erdacht und eingebracht.  Die Fachkräfte unterstützten den Planungsprozess, indem sie die Vorschläge der Kinder mit Hilfe von Zeichnungen für sie festhielten und sichtbar machten. Anschließend wurde bei Bedarf mit Hilfe von Muggelsteinen demokratisch abgestimmt.

Eine Schatzsuche sollte es geben, zum Mittagessen wünschten die Kinder sich Spaghetti Bolognese und zum Nachtisch Pfannkuchen mit Nutella. Außerdem wollten sie in der Kita Kuchen sowie Schokokekse backen und diese am Festtag an einem Stand ausgeben. Die Vorschulkinder planten „verschiedene Spielstationen im Garten! So, wie beim Oktoberfest – mit Dosenwerfen, Brezn schnappen und Masken basteln“. Einstimmig baten die Kinder darum, mit ihren Eltern und Geschwistern in den Räumlichkeiten des Kindergartens spielen und Erinnerungsfotos machen zu dürfen. Ein unerwarteter Wunsch, der sicherlich auch mit den Corona-bedingten Einschränkungen der vergangenen Jahre zusammenhängt.

Höhepunkt des Nachmittags sollte ein Spalier aus Glitzerbögen sein. Durch dieses wollten die Vorschulkinder zu vorher ausgewählter Musik mit ihren Schultüten schreiten, während alle Gäste applaudieren und einen Seifenblasen-Sturm pusten.

Die Kinder merkten sehr schnell, dass aus ihren Ideen allein noch kein Fest werden würde. Wie erfährt die Köchin von ihren Essenswünschen? Wer soll eingeladen werden? Werden wir für alle Gäste Kuchen backen können oder brauchen wir die Hilfe der Eltern? Wie bastelt man Glitzerbögen? Fragen über Fragen taten sich auf und mussten von den zwölf Vorschulkindern eruiert und entschieden werden.

„Ich wusste nicht, dass es so anstrengend ist, ein Fest vorzubereiten.“ Defne, 6 Jahre

Zu Beginn des Projekts führten die vielen Entscheidungsbefugnisse, die den Kindern zugestanden wurden bei einigen Großen wie Kleinen durchaus zu Verunsicherung. Die Handlungskompetenz der Kinder wuchs allerdings mit jedem Erfolg, den sie in ihrer Planung verbuchen konnten und in gleichem Maße wuchs die Zuversicht der Erwachsenen, dass schon alles klappen würde.

Der Neurobiologe Gerald Hüther sagt, dass ein Thema unter die Haut gehen muss, damit Kinder aktiv dabei sind und tatsächliches Lernen stattfinden kann. Die Planung ihres Abschiedsfests hatte für unsere Vorschulkinder definitiv Bedeutung und viele waren mit so viel Feuereifer und Begeisterung bei der Sache, dass die Erwachsenen nur staunen konnten. Kinder die bisher nicht das geringste Interesse am kreativen Gestalten gezeigt hatten, entwickelten sich zu fleißigen Dekorationsbastlern mit unglaublichem Durchhaltevermögen.

Unsere Eventmanager*innen luden ihre Eltern per Brief zu einer „Erzählrunde“ in die Turnhalle ein. Sie stellten ihnen den Ablauf des Festes vor und baten um Unterstützung beim Backen und Kuchenverkauf. Sie formulierten die Einladung zum Sommerfest für alle Kita-Familien und baten ihre Gäste darum, Seifenblasen mitzubringen.

Während des Aufbaus wussten die Vorschulkinder ganz genau, was zu tun war. Fast wären die Getränke vergessen worden, aber eben nur fast. Am Ende durften wir alle ein wundervolles, sonniges Sommerfest feiern, zu dessen Abschluss stolze Vorschulkinder die Kita, um eine wichtige Erfahrung reicher, durch Glitzerbögen und Seifenblasen hindurch verließen.

„Mir hat gefallen, dass wir alles selbst aussuchen durften. Der Abschied war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte!“ Lara, 6 Jahre